Bücher, die du bis zum Ende deines Studiums gelesen haben solltest

Verena Russlies - 07.10.2016

Bücherliste Studium

Ob Arendt oder Steinbeck: Absolut lesenswere Bücher | Foto: Thinkstock/vetkit

10 Bücher, die Welt zu verstehen

Es ist so weit, das studentische Lotterleben hat ein Ende und der Ernst des Lebens beginnt. Vorbei die Zeiten, in denen du neben Vorlesung, Seminar und Nebenjob noch Mußestunden in der Bibliothek verbracht hast – umgeben von (überfordernden, langatmigen) unbegrenztem Wissen. Vorbei die Zeiten des mittäglichen Aufstehens, der wissensdurstigen Teilnahme an fachfremden Lehrveranstaltungen und politischem Engagement auf den Fluren wie der Straße. Du möchtest sicher einwenden, dass das Studium heute ganz anders laufe; viel mehr Stress, Druck und Unsicherheit. Recht hast du, aber davon lassen wir uns nicht beirren.

Ein Bachelor oder ein Master of Irgendwas ist deine Eintrittskarte zur akademischen Welt – ob zu einer hochdotierten Stelle in einem Traumunternehmen oder zu einer Anmeldung bei einschlägigen Partnervermittlungen. Doch bevor du dich dort von deiner Schokoladenseite präsentieren kannst, solltest du studieren; also dich belesen. Das Probieren kann dann folgen. Haben wir ja jahrelang so gelernt.

Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung

Längst zum geflügelten Wort ist das Hauptwerk des Philosophen Ernst Bloch geworden. In den 1940er-Jahren im US-amerikanischen Exil geschrieben, proklamiert es die Hoffnung als Rettung der modernen Gesellschaft. Heute mutet uns Blochs Weltsicht leicht antiquiert an, sie erklärt uns aber eindrucksvoll die Wirkung von Hoffnung als kleine, eigene Utopie. Kontrovers diskutiert wurde es in der Nachkriegszeit im geteilten Deutschland.

Heute droht das Werk in Vergessenheit zu geraten, was seiner Geschichte und seiner durchdachten Analyse des menschlichen Wesens nicht gerecht werden würde. Natürlich leben wir heute unter (glücklicherweise) anderen Umständen, doch das Prinzip Hoffnung nimmt uns immer noch in Beschlag: die Hoffnung auf Sicherheit im Leben (für die wir einiges tun), die Hoffnung auf Veränderung und gleichzeitig die Hoffnung auf Stabilität – um nur einige zu nennen.

Erich Kästner: Fabian

1931 erschienen ist Kästners "Fabian" – in dessen produktivsten Zeiten in Berlin. Die pragmatische wie ironische Weltsicht des Herrn Fabian und sein erlebtes Pech lassen den Schluss zu, dass ein Optimist besonders viel Unglück im Leben erleiden müsse. Fabian begegnet mit seinem abgeschlossenen Germanistikstudium den Wirren des Berufslebens – inklusive Arbeitslosigkeit und Quereinstieg.

Eine Situation, die heute immer noch aktuell ist und der Fabian mit Idealen sowie Genügsamkeit begegnet. Sein bester Freund, ein Doktorand der Germanistik, ist leider nicht mit der Selbstironie ausgestattet, die Fabian sein Überleben sichert. Ein Lehrstück über das Leben nach dem Studium, die Welt in all ihren Wirrungen und einen Freigeist mittendrin. Kurzum: die Geschichte eines Moralisten, der wir alle nach dem Abschluss irgendwie sind.

Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht

Ja, richtig, Feminismus ist ein Thema, zu dem schon viel gesagt und viel geschrieben wurde. Und manchen wird es gerade verständlicherweise zu viel, was allerdings Gift für die berechtigte Auseinandersetzung zwischen Frauen- und Männerbildern ist. De Beauvoir stellt Fragen, die sich heute zum Teil beantwortet haben (durch die Wandlung der Ehe und des Berufslebens einer Frau), aber auch solche, die damals wie heute keine zufriedenstellende Antwort zulassen.

Ist das Frauenbild dominiert von falschen Projektionen und damit aufgezwungen? Wer drängt es in die eine oder die andere Richtung? Themen wie diese finden selten Eingang in Philosophieseminare und werden meist als Randerscheinung behandelt. Dem kannst du ganz einfach durch eigene Überlegungen Abhilfe schaffen – aber nicht zu viel, du sollt ja nicht in bestimmte Schubladen gesteckt werden.

Karl Marx: Das Kapital

In der DDR wurden Generationen mit dieser Lektüre, sagen wir, beehrt. Marx zeichnet hierin den Weg des Geldes, seine Zirkulation und seine Entwicklung. Drei Bände, die sich nicht unbedingt durch Spannung (zumindest für die Nicht-Wirtschaftswissenschaftler/innen) auszeichnen, aber zumindest durch historischen Wert. Außerdem erlebt das Werk von Marx heute eine kleine Renaissance.

Seine Analysen und Ideen werden aufgegriffen und weiterentwickelt, nachdem er lange Zeit bewusst zu den Akten gelegt wurde. Du solltest die Lektüre so früh wie möglich beginnen, dann kannst du noch ein wenig bei WG-Partys mit Rotwein in der rechten Hand und wilden Gesten mit der linken angeben. Linguisten haben als Bonus eine helle Freude an der Analyse schönster Bandwurmsätze und können sich so ganze Tutorien sparen.

Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

Es ist das umfangreichste Buch von Hannah Arendt. 1955 erschien das Werk der politischen Theoretikerin und Philosophin und knüpft an die Erfahrung des Nationalsozialismus in Deutschland an. Totale Herrschaft beruhe auf der Entfremdung des Individuums in der Massengesellschaft und der folgenden Zerstörung des politischen Raumes.

In einer Zeit, in der ähnliche Vorwürfe und Tendenzen wieder laut werden, in der Politikverdrossenheit schon nicht mehr Fakt, sondern Ideologie ist, erhalten Arendts Thesen wieder Aktualität. Dennoch baut das Werk auf Gegebenheiten auf, die heute teilweise nicht mehr gelten. Daher muss es auch kritisch gelesen und im Kontext begriffen werden. Fest steht nur, dass eine totale Herrschaft nicht durch die Etablierung der Demokratie abgeschafft wurde – sondern in Schwankungen stets Menschen zu überzeugen vermag.

Gustave Le Bon: Psychologie der Massen

Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen, wird das Buch heute kontrovers diskutiert. Auf jeder Seite finden sich Steine des Anstoßes, doch sie sollen deinen Leseeindruck nur bedingt trüben: Wichtig ist, womit Le Bon bereits lange vor den großen Diktatoren des Jahrhunderts recht behielt. Retrospektiv wird einem die Tragweite des Werkes bewusst. Die Gesellschaft – die Masse – funktioniert nach Mechanismen, die vielleicht nicht alle in der "Psychologie der Massen" erkannt wurden, aber dennoch auch im 21. Jahrhundert gelten. Und wenn dich wieder die Nachrichten überfordern, du die Menschen und ihre Handlungen nicht mehr verstehst, rufe dir die Lektüre in Erinnerung. Denn es ist alles reine (Massen-)Psychologie. Und auch du bist mittendrin.

Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze

Jetzt dürfen endlich Naturwissenschaftleraugen leuchten: ein (autobiographisches) Buch über Physik! Es sind Eindrücke aus dem Leben Heisenbergs, der die Naturwissenschaften stets mit Politik, Philosophie und Religion verknüpft sah. Geschichte hautnah erleben können die Leser, wenn sie von Gesprächen mit Einstein, Bohr und auch von Weizsäcker hören. Wenn sie lesen, wie sich die Forschung in der Zeit des Nationalsozialismus verändert hat und was Heisenberg sowie seine Weggefährten davon hielten.

Aber der geübte Historiker weiß: derartige Quellen sind subjektiv und mit Vorsicht zu genießen. Mit dem Wissen in Hinterkopf lässt sich aber eine Lektüre genießen, wie sie einem sonst selten in die Hände gerät, da die Interessen doch meist zu trivialerer Literatur tendieren. Einmal ausbrechen und "Der Teil und das Ganze" auf den Nachttisch legen.

Über 40 Autoren präsentieren: Die Bibel

Die wärmste Empfehlung an sämtliche brotlosen Künstler und solche, die es werden wollen. Hier soll niemand konvertiert werden, aber: Biblische Stoffe, Geschichten und Motive finden sich in Malerei, Musik und Literatur von gestern bis heute. Und ohne die Kenntnis der beiden Testamente kommen auch überzeugte Atheisten nicht darauf, dass sich hinter modernen Kulturerzeugnissen die Umsetzung eines altbekannten Motivs verbergen könnte.

Außerdem ist die Sache gar nicht so langweilig, wie es vielleicht klingen mag. Die Geschichten vereinen alles, was es zu Spannung braucht. Nicht umsonst werden klassisch biblische Geschichten wie die von Noah auch heute wieder verfilmt. Und wenn man schon dabei ist, sind Koran oder buddhistische Lehren die nächste Stufe.

John Steinbeck: Früchte des Zorns

Dieser Roman von 1939 ist das wohl bekannteste Werk des späteren Nobelpreisträgers Steinbeck. Ein wenig fremd mag dessen Handlung anmuten: Erzählt wird die Geschichte einer Farmergemeinschaft in den Zeiten der Großen Depression, in der Dürrejahre einen Treck aus Oklahoma und Arkansas gen Westen ziehen. Statt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft dank gut bezahlter Arbeit erwartet sie Intoleranz, Anfeindung und Ausbeutung. Steinbeck begleitete einen tatsächlichen Treck, um die Reise und die Auffanglager entsprechend schildern zu können. Also mich erinnert das entfernt an etwas Aktuelles; vielleicht ja auch Dich. Der Titel verweist übrigens auf die biblische Offenbarung des Johannes (die obige Lektüre zahlt sich wirklich aus). Und der Roman inspiriert bis heute zu Filmen, Neuerzählungen sowie Musik.

Hermann Hesse: Der Steppenwolf

Hesse erzählt mit dem "Steppenwolf" (1927 ) eine surreale Geschichte eines unangepassten Intellektuellen im Umschwung der 1920er-Jahre. Die Welt und sich in Frage zu stellen – das täglich grüßende Murmeltier des Protagonisten Harry Haller. Der Mensch in ihm hält an gesellschaftlichen Konventionen fest und empfindet ganz weltliche Sehnsüchte. Der Wolf in ihm sucht die Einsamkeit und verachtet alles Triviale.

Er möchte ausbrechen und findet eine hilfreiche Weggefährtin in Hermine, welche ihm die schönen Seiten des Lebens zeigt. Nicht mehr Weltschmerz soll ihn beherrschen, sondern Lebensmut und Freude. Abwechslungsreich steht Hesses Alter Ego zwischen Geist und Trieb. Eine Lehrstunde für uns verkopfte Studenten, die meist viel zu sehr die Last der Welt auf den Schultern zu spüren glauben.

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