Poetischer Bilderreigen aus Hongkong
"Beim Kung-Fu geht es um Präzision", heißt es an einer Stelle in "The Grandmaster". Dieses Credo scheint sich auch Regisseur Wong Kar-Wai groß auf die Fahnen geschrieben haben. Mit einem unglaublichen Gespür für Bilder und Atmosphäre hat er einen Kinofilm von fast epischem Ausmaß geschaffen – und das liegt nicht nur an den über zwei Stunden Laufzeit. "The Grandmaster" setzt voll auf eine grandiose Optik, furios inszenierte Kampfszenen, glaubwürdige Schauspieler und eine alles umschließende, eigentümlich bedrückende Stimmung. Das Martial Arts-Werk scheint in seiner Gesamtheit gleichsam eine Liebesbekundung an den Kung-Fu als auch ein Abgesang an vergangene Zeiten zu sein.
Als Grundlage dient dazu das Leben des Ip Man, der besonders für die Kampfart Wing Chun verehrt wird. Die Biografie des Großmeisters wurde schon des Öfteren verfilmt, jedoch noch nie mit einer solchen melancholischen Bilderflut versehen.
Südchina, 1936: Kungfu-Großmeister Gong Bao-Sen (Wang Qing-Xiang) reist durch das Land, um seinen Rückzug als führender Vertreter der Kampfkunstschulen Nordchinas zu verkünden. Die Tradition verlangt, dass er sich vorher mit dem besten Kämpfer des Südens messen muss. Die Wahl fällt auf den ungeschlagenen Ip Man (Tony Leung Chiu-Wai), der auch diesmal seine Überlegenheit beweisen kann. Gong Bao-Sens Tochter Gong Er (ZhangZi-Yi) fühlt sich durch die Niederlage ihres Vaters beschämt und fordert ihrerseits Ip Man zum Kampf auf. Während ihres Duells entdecken die leidenschaftliche Meisterin des Bagua-Kampfstils und der verheiratete Familienvater ihre Gefühle für einander. Die Liebe bleibt jedoch unerfüllt.
1937 bricht dann der Krieg in Chinas Norden aus, 1983 marschieren die Japaner auch im Süden ein. Ip Man, früher Sohn und Erbe eines Grundbesitzers, verarmt und beginnt als Kampfsportlehrer zu arbeiten. Gong Er begibt sich derweilen auf einen Rachefeldzug gegen den Mörder ihres Vaters. Erst 1952 treffen sich die Beiden wieder, doch obwohl die Zuneigung groß ist, kommen sie dennoch nicht zusammen.
"The Grandmaster" vermittelt einen poetischen Einblick in die Weisheiten und die Philosophie Chinas. Ip Man und Gong Er stehen dabei für das Yin und Yang, für Sehnsucht und Verlust. Sowohl der geistige Überbau als auch die historischen Ereignisse werden durch die Kampfkunst, das Kung-Fu, miteinander verwoben. In der Kunst des Kampfes spiegelt sich hier die Seele, die Welt und das Leben wieder. "The Grandmaster" ist ein Muss für Martial-Arts- und Asien-Fans, brachiale Action wird man hier trotz der vielen Duellszenen nicht erwarten dürfen. Dafür gibt's einen Bilderreigen erster Güteklasse.
The Grandmaster
Martial Arts/Drama, China 2013
Regie: Wong Kar-Wai
Darsteller u.a.: Tony Leung Chiu Wai, Zhang Ziyi, Chang Chen
Verleih: Wild Bunch Germany
Kinostart: 27. Juni 2013