Dauersingles und Beziehungshopper: Das ist euer Liebesproblem

Nora Stankewitz - 08.02.2018

Dauersingle

Aus Angst vor Freiheitsverlust lieber allein im Bett? | Foto: Kinga Cichewicz/Unsplash

Sebastian, der Dauersingle

Er sieht gut aus, wirkt selbstbewusst, hat einen tollen Job, er geht viel aus. Eine feste Freundin fände er schon ganz gut. Nur klappt es nicht. Seit Jahren. Überhaupt hatte er seit seiner ersten großen Liebe mit 19 keine feste Freundin mehr. Sebastian ist 30 und Dauersingle. Es wirkt als sei er davon überzeugt, dass das eben seine Art ist, es passe einfach zu ihm, den tingelnden Lebemann zu geben. Er sei eben kein Typ für was Festes, sagt er immer wieder. Nach zwei Gläsern Wein, erzählt er, wie schön es wäre, endlich jemanden zu haben, in einem schönen Haus zu leben und ein paar Kinder zu machen.

Melanie, die Beziehungshopperin

Und da ist Melanie. Mit 15 hatte sie ihren ersten festen Freund. Das ging schon ein paar Jahre. Den nächsten hatte sie ohne Übergangszeit. Wieder ein paar Jahre. Und dann kam der nächste. Der war schon da, bevor der andere überhaupt weg war. Und jetzt? Ist da wieder ein anderer. Der hat den davor abgelöst. Auch wenn Melanie viele Jahre mit dem jeweiligen Mann verbracht hat, wirklich zufrieden war sie in der Beziehung nicht. Auch sie ist 30, drei Kinder und wirklich niemals allein. Wie es sich anfühlt, alleine aufzuwachen, kann sie sich gar nicht mehr vorstellen, will sie auch nicht. Ohne Beziehung auf engstem Raum fühlt sie sich nicht wohl.

Ängstlich oder vermeidend: Welcher Beziehungstyp bist du?

Da haben wir sie, die beiden Beziehungstypen – oder besser -untypen. Der eine Dauersingle, die andere Beziehungshopperin. Zufrieden ist keiner von beiden. Aber was läuft da falsch? Gibt es wirklich Menschen, die besser alleine bleiben, während die anderen dem Schicksal erlegen sind, immer mit irgendjemandem das Bett zu teilen?

Ganz klar: Nein. Das sagt zumindest Stefanie Stahl. Die Psychologin und Autorin (Buch "Jeder ist beziehungsfähig", siehe unten) hat sich auf Menschen mit Bindungsangst spezialisiert. "Es gibt Menschen, die fühlen sich ohne Partner unwohl. Bindung bedeutet für sie Sicherheit. Für andere bedeutet Bindung eher Freiheitsverlust." Beide Typen seien "ein bisschen aus der Balance", so Stefanie. Der ideale Typus nämlich könne beides.

"Ohne dich kann ich nicht leben" – Der ängstliche Typ

"Den einen Grund, warum Menschen nicht den Partner finden, der zu ihnen passt, den gibt es nicht", meint Anchu Kögl, der im Netz zu den Dating-Gurus überhaut zählt. Aber auch er sieht die Hauptgründe darin, dass Menschen entweder zu emotional abhängig sind oder eben zu unabhängig.

Der ängstliche Beziehungstyp nämlich braucht ständig die Bestätigung von jemandem. "Dahinter steht die Denke: Um glücklich zu sein, brauche ich unbedingt einen Partner", erklärt der studierte Wirtschaftsingenieur. Das führe dann oftmals dazu, dass dieser Typus beim Kennenlernen des potenziellen Partners sofort klammert. Und dass das meistens nicht so gut ankommt, kennt jeder, der es schon einmal erlebt hat. In Beziehungen "führt diese emotionale Abhängigkeit dazu, dass wir dem Partner nicht auf Augenhöhe begegnen, weil wir von seiner Anerkennung abhängig sind", so Anchu. Ein ungesundes Machtgefälle entsteht.

"Frühstück gibt’s bei mir nicht" – Der vermeidende Typ

Das Gegenteil davon ist die Bindungsangst, die Stefanie in ihrem neuesten Buch auseinandernimmt. Beispielsweise laufe dann der Automatismus ab, möglichen Verletzungen durch einen Menschen vorzubeugen, indem man ihn gar nicht erst an sich heranlasse, so die Beziehungsexpertin.

Diese in der Kindheit geprägten "inneren Programme" würden dann einfach auf den Partner projiziert und der "steht dann auf verlorenem Posten.", weiß Stefanie. Denn der wisse ja überhaupt nicht, was in dem anderen vorgeht.

Was deine Eltern mit deinem Liebesprogramm zu tun haben

Jeder von uns fährt sozusagen ein bestimmtes "Beziehungsprogramm", wie es Stefanie in ihrem Buch nennt. Tiefe Konditionierungen, die in der Kindheit – meist durch die Eltern – geprägt wurden. Und diese gilt es zu erkennen und mit ihnen umzugehen, denn sonst läuft das eigene Programm einfach immer wieder ab – ohne dass wir das bemerken würden. Menschen, die eher zum ängstlichen Typ gehören, "hatten möglicherweise Eltern, die ihr Bindungsbedürfnis nicht ausreichend gestillt haben. Als Erwachsener haben sie noch immer eine innere Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung", so Stefanie. Dauersingles könnten das gleiche Schicksal haben, nur dass die vielleicht anders darauf reagieren, in dem sie sich sagen, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen können. Auch Überbehütung durch die Eltern könne dazu führen, dass jemand ein übergroßes Bedürfnis an Autonomie habe.

Das Ergebnis: Melanie wird sich immer wieder an irgendjemanden klammern, nur damit sie nicht alleine ist und ganz egal, ob derjenige ihr guttut oder zu ihr passt. Und Sebastian wird auch die Traumfrau von der Bettkante stoßen, wenn sie ihm zu nahekommt, für ihn die Gefahr, verletzt zu werden zu groß wird. "Er wird dann immer eine Ausrede finden, warum es nicht geklappt hat", weiß Anchu. "Vielleicht war sie nicht schön genug oder er muss sich erst mal um seinen neuen Job kümmern."

Was ist Liebe? Eine Antwort, die dein Leben für immer verändern wird

Gibt es auch etwas, das funktioniert?

Und dann gibt es da noch die emotional stabilen Menschen. Das sind jene, die mit sich und der Welt eigentlich ganz zufrieden sind. Die sich selbst leiden können, Dinge haben, die ihnen wichtig sind und offen sind, neue Menschen kennenzulernen. Ohne hardcore darauf aus zu sein, den Nächstbesten ans Bett zu ketten oder nach dem Sex direkt wieder vor die Tür zu setzen. Das sind die Menschen, deren Liebesleben weitestgehend ohne Drama und Spielchen abläuft. Das klingt langweilig, ja, aber es funktioniert. Es geht also um uns selbst. Darum, die eigenen Schwächen zu kennen und anzunehmen. Die des Partners dann auch noch zu akzeptieren, ist dann gar nicht mehr so schwer. Anchu: "Wenn ich mit mir unzufrieden bin, wird es auch keinen Menschen auf der Welt geben, mit dem ich zufrieden bin, mit dem ich dauerhaft eine glückliche Beziehung führen kann." So. Punkt. Das hat gesessen.

Check dein Beuteschema!

Eine Sache wäre da aber noch, bevor sich alle einen "Weg-zu-mir-selbst-Kurs" buchen. Auch das eigene Beuteschema muss auf den Prüfstand. Typisch nämlich sei, so Stefanie, zum Beispiel eine Frau, die eher bindungssüchtig ist, sich die besonders coolen, unabhängigen Typen raussuche. Wahrscheinlich, weil sie sich genau für diese Seite interessiere, weil es das ist was ihr selbst fehle. "Und diese Typen sind oft überautonom, also gar nicht richtig bindungsfähig. Und finden diesen Typ Frau meist auch nicht spannend." Kurz gesagt: Sebastian und Melanie wären zusammen eine Vollkatastrophe. Die Sache mit dem Beziehungsprogramm geht also schon beim Dating los.

Anchu Kögls Tipps für ehrliches Dating

  1. Zeig dich verletzlich: Das, was uns Menschen verbindet, sind die Dinge, über die wir nicht gerne sprechen: Fehler, Schwächen, Schattenseiten. Jeder Mensch hat Ängste und Sorgen und die zu teilen, schafft Vertrauen.
  2. Keine Spielchen: Sei offen und direkt von Anfang an und zeige dein Interesse an einer Person. Zwar riskierst du dann auch eine Abfuhr. Das zeigt aber, dass du mutig bist und zu dir stehst. Mit einem gesunden Selbstwert ist es nicht das Ende der Welt, wenn dich jemand ablehnt.
  3. Lass dich nur auf Menschen ein, die Ja zu dir sagen: Oft wollen wir einen ganz bestimmten Menschen erobern. Aber wir können nicht kontrollieren, ob uns ein Mensch mag oder nicht. Finger weg von den Menschen, die sich nicht melden, ausweichen, gemischte Signale senden. (siehe 2.)
  4. Hab Spaß am Dating: Je mehr Menschen du kennenlernst, umso klarer wird dir, wer gut zu dir passt. Das heißt nicht, dass du mit 20 Menschen ins Bett musst, aber vielleicht tun dir ein paar Dates mit verschiedenen Menschen ganz gut. Achtung: Verliere dich nicht in der ewigen Suche nach noch jemand passenderen.

"Es ist gar nicht so kompliziert"

Aber jetzt mal ganz ruhig: Auch wenn du dich in einem der beiden Typen erkannt hast, heißt das noch lange nicht, dass du niemals eine zufriedene Partnerschaft erleben wirst. "Die gute Botschaft ist, es ist eigentlich gar nicht so wahnsinnig kompliziert", meint Psychologin Stefanie. Es gehe nicht immer darum, ein komplettes Leben zu ändern: "Das sind manchmal so ein paar Erkenntnisse, die schon weiterhelfen. Man muss nur den Mut haben, sich selbst zu stellen." Denn wer seine Defizite kenne, könne diese eben auch verändern. Auch Liebesblogger Anchu rät dazu, das eigene Denken und Handeln zu reflektieren, sich kennenzulernen.

Und damit sind wir beim Knoten dieses ganzen Liebesdingsdas angekommen. Wer eine gelungene Partnerschaft erleben will, muss verdammt mutig sein. Mutig, sich selbst zu begegnen. Mutig, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Mutig, sich selbst nicht zu verarschen. Und das kann auch ganz schön unangenehm werden. Das weiß jeder, der schon mal gnadenlos ehrlich zu sich war.

Und was jetzt mit Beziehungshopperin Melanie und Dauersingle Sebastian?

Während es für Melanie darum gehe, ihre eigenen Bedürfnisse kennenzulernen, müsse Sebastian zulassen Kontrolle abzugeben, zu riskieren auch einmal verletzt zu werden, so Anchu. Es gehe darum, die eigene schwächere Seite auszubauen und ins Gleichgewicht zu kommen, fasst Stefanie zusammen. Dann könnte Folgendes passieren: Melanie wäre mit sich selbst zufriedener, sie hätte vielleicht ein Hobby und gute soziale Kontakte. Einen Partner hätte sie zwar gern, aber sie braucht ihn nicht um jeden Preis. "Paradoxerweise wird sie dann vermutlich solche Menschen anziehen, denen es ähnlich geht", meint Anchu. Und dann könne das ziemlich wahrscheinlich klappen. Sebastian würde sich gegenüber einem neuen Kontakt offener zeigen, auch mal eine Schwäche eingestehen, würde nicht mehr nur stark und unabhängig wirken wollen. Sein Gegenüber könnte sich dann auch zeigen, die Gefahr verletzt zu werden sinkt, Vertrauen entsteht und vielleicht ja dann auch sowas wie Liebesglück.

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