Wohnen für Hilfe: In dieser WG musst du keine Miete zahlen

Nina Weidlich - 05.01.2018

Wohnen für Hilfe

Das Projekt "Wohnen für Hilfe" bringt Jung und Alt zusammen | Foto: KatarzynaBialasiewicz/Thinkstock

WG mal anders: Das Konzept von "Wohnen für Hilfe"

Neben "Wohnen für Hilfe" (WfH) findest du im Internet vielleicht auch die Bezeichnungen "Wohnen mit Hilfe" oder "Wohnen gegen Hilfe". Die Grundidee ist immer die gleiche: Senioren, Menschen mit Behinderungen oder Alleinerziehende, die in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus ein freies Zimmer haben, bieten diesen Wohnraum für Studenten oder Azubis an. Einzige Voraussetzung zum Mitmachen: Du musst mindestens 18 Jahre alt sein.

Hilfe statt Miete

Die Vermieter sind meist Menschen, die ihren Alltag alleine nicht (mehr) bewältigen können oder einfach ein bisschen Gesellschaft und Kontakt zu jungen Leuten haben möchten. Anstatt Miete für dein Zimmer zu zahlen, musst du unterschiedliche Aufgaben übernehmen – das können zum Beispiel leichte Garten- oder Hausarbeiten sein. Außerdem musst du vielleicht mal Einkaufen gehen, auf ein Kind aufpassen, dich um Haustiere kümmern oder mit deinem Wohnpartner Behördengänge erledigen.

Manche Vermieter suchen auch einfach nur nach einem jungen Menschen, der ein bisschen Zeit mit ihnen verbringt oder mit ihnen Ausflüge unternimmt. Fest steht: Der soziale Faktor spielt bei "Wohnen für Hilfe" eine große Rolle. Du solltest also keine Scheu haben, Zeit mit deinem Wohnpartner zu verbringen und dich einfach nur in deinem Zimmer verbarrikadieren. Aber keine Sorge: Pflegetätigkeiten werden von Anfang an ausgeschlossen und können somit auf gar keinen Fall von dir verlangt werden!

Welche Aufgaben tatsächlich auf dich zukommen, ist individuell verschieden und wird vorab in einem Kooperationsvertrag zwischen dir und deinem Vermieter geregelt.  Als Faustregel gilt: Für jeden m² Wohnfläche musst du eine Stunde Arbeit in der Woche leisten – bei einem 20 m² großen Zimmer wären das also 20 Arbeitsstunden. Es gibt auch die Möglichkeit, nur 10 Stunden zu arbeiten und somit die Hälfte der Mietkosten einzusparen. 

Aber Achtung: Die anteiligen Gebühren für Nebenkosten wie Gas, Wasser und Strom musst du trotzdem zahlen!

Per Fragebogen zum perfekten Wohnpartner

Um einen Wohnpartner zu finden, müssen sowohl Vermieter als auch die Wohnungssuchenden im Vorfeld einen Fragebogen ausfüllen. Darin werden bereits ziemlich detaillierte Angaben gemacht: Der Vermieter beschreibt seine Wohnsituation, wie viel Wohnraum zur Verfügung steht, welche Räume mitbenutzt werden dürfen und so weiter. Außerdem gibt er auch an, wie weit die Wohnung vom Zentrum entfernt liegt und wie die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz ist. Auch die Aufgaben, die der zukünftige Mieter übernehmen soll, werden hier bereits aufgelistet.

Wenn du eine Wohnung suchst, machst du in deinem Fragebogen erst einmal Angaben zu deinem Werdegang, was du studierst und welche Hobbys du hast (das kann zum Beispiel relevant sein, wenn du ein Instrument spielst). Zusätzlich kannst auch du ankreuzen, welche Tätigkeiten du gerne übernehmen würdest und was für dich gar nicht geht. Auch Wünsche zum Wohnpartner sind möglich: Möchtest du lieber zu einem Mann oder einer Frau, einer alleinstehenden Person oder einem Pärchen? Welches Alter wäre dir am liebsten?

Anhand dieser Daten wird dann entschieden, welcher Vermieter zu dir und deinen Wünschen passen könnte. Natürlich ziehst du bei einem "Match" nicht aufs Blaue irgendwo ein: Bevor es tatsächlich zu einem Umzug kommt, kannst du dich mit deinem potentiellen Wohnpartner treffen und herausfinden, ob die Chemie zwischen euch beiden stimmt.

Wohnen für Hilfe: Organisationen und Städte

Am Projekt "Wohnen für Hilfe" nehmen derzeit 34 deutsche Städte teil. Unter anderem sind Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster mit dabei Die vollständige Liste aller WfH-Städte in Deutschland kannst du auf der Webseite der Uni Köln einsehen.

Die Wohnpartnerschaften werden häufig vom AStA der Universitäten organisiert, aber auch Non-Profit-Organisationen oder Wohlfahrtsverbände wie das Deutsche Rote Kreuz können Träger des Projekts sein.

Über die Seite der jeweiligen WfH-Stadt findest du Kontaktpersonen und Informationen zu den individuellen Bestimmungen an deinem Wohnort. Die Abwicklung über eine offizielle Stelle ist ratsam, weil du so einen Ansprechpartner im Rücken hast und schnell Hilfe findest, wenn mal etwas schief läuft oder du mit deiner Wohnsituation nicht zufrieden bist.

Erfahrungsberichte: So läuft "Wohnen für Hilfe" in der Praxis ab

Ob eine Wohnpartnerschaft über Wohnen für Hilfe für dich in Betracht kommt, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Um dir die Entscheidung ein wenig zu erleichtern und mögliche Unklarheiten aus dem Weg zu räumen, haben wir mit einer Studentin und einer Vermieterin gesprochen, die bereits an dem Projekt teilnehmen.

Studentin Julia

Die Studentin Julia* hatte Schwierigkeiten, in Bonn eine Wohnung zu finden. Die wenigen Zimmer, die dort zur Verfügung stehen, sind meist sehr teuer. Jetzt wohnt sie gemeinsam mit anderen Mitbewohnern bei einer 93-jährigen Dame. Die Seniorin ist verwitwet und hat drei Kinder, die sie regelmäßig besuchen kommen.

UNICUM: Wie viele Quadratmeter hast du in der Wohngemeinschaft zur Verfügung? Was musst du dafür tun? 
Julia: Ich wohne in einem 15 m²-Zimmer. Die Küche, ein Gäste-WC und eine Dusche stehen uns auch zur Verfügung. Bei uns ist es nicht so streng festgelegt, was genau ich für den Wohnraum machen muss. Ich leiste der Hauseigentümerin ab und zu Gesellschaft. Wenn es zeitlich mit der Uni passt, dann koche ich für uns beide und wir essen dann zusammen. Vor allem ist es wichtig, nachts anwesend zu sein.

Was sagen deine Freunde und Familie zu dieser Art des Zusammenwohnens? 
Meine Freunde wissen nicht so wirklich, was sie davon  halten sollen. Einige denken, dass ich meine ältere Mitbewohnerin ständig umsorgen muss. Andere können sich so eine Wohngemeinschaft nicht vorstellen, weil sie sich gestört fühlen würden. Beides trifft bei mir nicht zu. Meine Familie ist da entspannter und sie finden das Projekt gut.

Wie ist das, wenn du mal Freunde mit nach Hause bringen willst? 
Freunde dürfen mich besuchen und auch bei mir übernachten, jedoch muss ich das vorher mit den anderen Mitbewohnern absprechen.

Würdest du noch einmal bei dem Projekt mitmachen? 
Auf jeden Fall, weil es mir ermöglicht, ein bezahlbares Zimmer zu bewohnen. Außerdem würde ich ein Zimmer in einem privaten Haus einem Studentenheim immer vorziehen, da es in vielen Studentenheimen sehr laut und der Störfaktor groß ist.

Vermieterin Heike Weller

Heike Weller ist knapp 60 Jahre alt und leidet an Multipler Sklerose. In Bonn hat sie ein großes Haus, in dem sie sich selbstständig relativ gut bewegen kann. Ihr Mann ist Pendler – um weiter in ihrem Haus leben zu können, hat sie sich mit "Wohnen für Hilfe" Unterstützung gesucht. Momentan wohnt ein Student der Agrarwissenschaften bei ihr, der neben dem ehemaligen Kinderzimmer ihres Sohnes auch ein eigenes Bad zur Verfügung hat.

UNICUM: Wie sieht der Kontakt mit Ihrem Mitbewohner aus? 
Heike Weller: Wir reden viel miteinander. Der Student hat zwar sein eigenes Zimmer, in dem auch Freunde übernachten dürfen. Er kann sich aber frei im Haus bewegen und ich lade ihn auch dazu ein, mit mir gemeinsam zu essen. Erst letztens habe ich ihn zum Beispiel dazu gebracht, Vollkornbrot zu essen – davor gab es bei ihm immer nur Weißbrot. So lernen wir auch gegenseitig voneinander.

Haben potentielle Mitbewohner aufgrund Ihrer Krankheit anfangs Sorge gehabt, Sie pflegen zu müssen? 
Das habe ich von Anfang an klargestellt. Mir ist es ein großes Anliegen, möglichst lange selbstständig zu sein – eben mit der einen oder anderen Unterstützung der Studenten. Dazu zählen dann aber eher Aufgaben wie mein Elektromobil rauszustellen, mit dem ich mich außer Haus fortbewege. Manchmal räumen sie auch die Spülmaschine aus oder pflegen den Garten.

Gibt es über die Erledigung der Aufgaben manchmal Streit? 
Nein, überhaupt nicht. Ich habe die Menschen ja nicht hier, um ihnen das Leben schwer zu machen. Es soll einfacher werden, vor allem durch die Einsparung der Kosten. Das ist ein sehr höfliches Miteinander.

Wie reagieren Ihre Freunde und Familie auf diese ungewöhnliche Wohnform? 
Wir haben nur sehr offene Freunde. Wir haben zum Beispiel auch sehr guten Kontakt zu Leuten, die regelmäßig Au-Pairs haben – das ist ja ein ähnliches Konzept. Alle, die mich und meine Krankheit kennen, finden es ganz toll, dass es diese Möglichkeit der gegenseitigen Hilfe gibt.

Weitere Infos zum Projekt "Wohnen für Hilfe" findest du auf der Webseite der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln oder auf den Seiten deiner eigenen Uni.

*Name von der Redaktion geändert

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