EU Urheberrechtsreform: Artikel 13, Uploadfilter und Co.

Marvin Kesper - 01.08.2019

Eu Urheberrechtsreform Uploadfilter Artikel 13

Gegen Artikel 13 wurde viel demonstriert. Wir erklären dir, was dahinter steckt. | Foto: Markus Spiske/Flickr, CC BY-SA 2.0

Was genau möchte das EU Parlament reformieren?

Das Ziel der neuen EU Urheberrechtsreform ist es, dass Künstlerinnen und Künstler und generell Urheberinnen und Urheber für ihre Werke fair und angemessen vergütet werden. Der umstrittene Artikel 13 (in der Endfassung Artikel 17) der Reform besagt, dass große Internetplattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter hierfür vor dem Upload eines Werkes das Copyright klären müssen. Die Plattformen haften voll für alle Inhalte, die von den Usern hochgeladen werden. Besitzt die Plattform keine Lizenz, um das jeweilige Werk mit entsprechendem Copyright zu verbreiten, muss sie den Upload verhindern. Dies können sie vermutlich nur mit sogenannten Uploadfiltern. Diese sperren die Uploads der User, bevor sie online gestellt werden können. So können Bilder, Texte oder Lieder nicht mehr so einfach von den Usern im Netz verbreitet werden.

Wieso steht Artikel 13 in der Kritik?

Die tausenden Demonstranten und Reformgegner sehen vor allem den Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform kritisch. Sie befürchten durch Uploadfilter eine teilweise Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet. Zwar gibt es auch Ausnahmen, dass nicht-kommerzielle Plattformen wie Wikipedia, Tauschbörsen oder neue kleine Plattformen von der Regelung ausgeschlossen sind, dennoch wird das Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke, wie zum Beispiel Memes, vermutlich deutlich eingeschränkt. Am 26. März 2019 hat das EU-Parlament über die Urheberrechtsreform abgestimmt und ihr mit einer Mehrheit von 348 zu 274 Stimmen zugestimmt. Auch die nationale Umsetzung des Rechts wird nun langsam vom Bundesjustizministerium in die Wege geleitet. Bis September 2019 setzt sich das Ministerium zusammen, um eine Umsetzung zu besprechen.

Einordnung der Urheberrechtsreform

Um die Entscheidung für die EU-Urheberrechtsreform einzuordnen, haben wir mit Experten gesprochen und sie nach ihrer Meinung gefragt, was die Urheberrechtsreform bewirken könnte und welche Alternativen zu Uploadfiltern es gibt. Die Interviews haben wir kurz nach der Abstimmung im EU-Parlament am 26. März 2019 geführt.

"Mitgliedsstaaten werden eine Zensur-Infrastruktur im Netz aufbauen."

Am 21. März 2019 schaltete sich die freie Enzyklopädie Wikipedia, aus Protest gegen die Urheberrechtsreform, komplett für 24 Stunden ab. Bernd Fiedler, Projektmanager Politik bei Wikimedia, erklärt, warum sie sich zu diesem Protest entschieden haben: "Mit der Urheberrechtsreform sind einige gute Dinge verabschiedet worden, allerdings auch zwei sehr problematische, nämlich Artikel 11 und 13. Das sind das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und Betreiberhaftung. Bei denen haben wir ganz große Bauchschmerzen und haben deswegen protestiert." Er und Wikimedia befürchten, dass es in Zukunft zu einer Zensur im Internet kommen könnte, indem Inhalte schon beim Upload geblockt werden. "Die Mitgliedstaaten werden vermutlich nicht darum herumkommen, eine Art Zensur-Infrastruktur im Netz aufzubauen. Eine absolute Sicherheit vor Urheberrechtsverletzungen kann es nur geben, indem man die Meinungsfreiheit voll einschränkt. Das ist es, unserer Ansicht nach, allerdings nicht wert", erklärt Bernd Fiedler. Momentan sei es einfach noch nicht möglich, dass ein Uploadfilter unterscheiden kann, ob ein Inhalt urheberrechtsverletzend ist oder unter Satire, Zitat oder eine andere rechtmäßige Verwendung fällt. "Uns ist völlig unklar, wie eine Maschine diese Schrankenregelungen des Urheberrechts erkennen soll, ohne dabei das Haftungsrisiko des Seitenbetreibers übermäßig zu erhöhen." Damit auch bloß keine urheberrechtlich geschützten Werke auf einer Plattform erscheinen, werden, laut Bernd Fiedlers Einschätzung, die Betreiber die Filter auf höchste Empfindlichkeit einstellen. "Wir fürchten, dass dadurch viele Inhalte, die eigentlich rechtmäßig erscheinen dürften, nicht mehr online erscheinen." Zwar könnten die User dann ihr Recht durchsetzen einen Inhalt doch veröffentlichen zu dürfen, das dauert allerdings einige Zeit und wäre eine Art Meinungsfreiheit auf Antrag. "Als Alternative zum Blocken des Uploads, könnte man urheberrechtlich geschützte Werke nach dem Upload löschen lassen. Also anstatt Meinungsfreiheit auf Antrag, Löschung auf Antrag", plädiert Bernd Fiedler.

"Für kleine Plattform-Anbieter können sich schnell existentielle Probleme ergeben:"

Die Zentrale für Unterrichtsmedien betreibt mit der "Zentrale für Unterrichtsmedien" (ZUM) ein Portal, auf dem Lehrerinnen und Lehrer Unterrichtsmaterialien kostenlos zur Verfügung stellen können. Auch sie schalteten aus Protest am 21. März ihr Portal komplett ab. Vorstandsmitglied Andreas Kalt spricht sich im Namen der ZUM generell für eine Urheberrechtsreform aus: "Wir sind für eine Modernisierung des Urheberrechts für das digitale Zeitalter. Außerdem halten wir es für selbstverständlich, dass die Rechte von Urhebern im Internet respektiert und gesetzlich geschützt werden." Doch auch beim Thema Uploadfilter sieht die Zentrale für Unterrichtsmedien Schwierigkeiten. "Eine generelle Erfahrung ist, dass Software aktuell bei Grenzfällen Probleme hat: Bild- oder Video-Zitate sind laut bisherigem Urheberrecht erlaubt, es ist aber schwer vorzustellen, wie ein Programm herausfinden könnte, ob es sich im konkreten Fall um eine Raubkopie oder ein erlaubtes Bildzitat handelt", erklärt Andreas Kalt. Das führe dann sehr wahrscheinlich dazu, dass immer wieder berechtigte Uploads geblockt würden. Die User müssten dann beim Betreiber Einspruch einlegen, um ihre Inhalte sichtbar zu machen: "Das ist aufwendig und langwierig. Die Konsequenz wäre wohl, dass viele Menschen weniger Inhalte teilen, was sich – je nach Kontext – sehr negativ auf den kulturellen Austausch auswirken könnte." Außerdem könnten die Firmen, die die Uploadfilter programmieren, unerwünschte Macht erhalten. "Die Entwickler entscheiden über rechtmäßige und unrechtmäßige Inhalte und können damit an entscheidender Stelle und ohne politisches Mandat kontrollierend in den Prozess des kulturellen Austauschs eingreifen", so Andreas Kalt. Aktuell sieht es für die ZUM zwar so aus, als ob sie als nicht-kommerzieller Anbieter von den Pflichten der Filterung ausgenommen sind, sollte es dennoch zu einer Filterungspflicht für die ZUM kommen, sehen sie sich einigen Fragen gegenüber: "Wer entwickelt solche Filter? Was kosten sie? Wie kann man sie in bestehende Software einbauen? Für kleine Plattform-Anbieter können sich hier sehr schnell existentielle Probleme ergeben, weil der zeitliche und finanzielle Aufwand unter Umständen die Möglichkeiten übersteigen könnte."

"Die Aufregung um die Reform ist stark übertrieben."

Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer ist Lehrstuhlinhaber des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht an der Universität zu Köln. Er sieht die Diskussion, um die Urheberrechtsreform eher kritisch, sieht aber auch einige Probleme, die durchaus diskutabel sind. "Die Aufregung um die Reform ist stark übertrieben. Sie enthält viele Regelungen, die im Informationszeitalter wichtig geworden sind, unter anderem Schranken zugunsten von Wissenschaft und Lehre, Schranken zugunsten von Lichtbildern an Museumskunst oder Vorschriften zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern gegenüber Ihren Verwertern." Auch Artikel 13, beziehungsweise jetzt Artikel 17, sieht er nicht so kritisch, wie er zuletzt gehandelt wurde. "Die Vorschrift hat in der verabschiedeten Fassung viele der Bedenken aufgenommen, die im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt geäußert wurden. Sie ist also bei weitem nicht so scharf, wie es die Kritiker behaupten. Sie trägt stattdessen dem Grundsatz Rechnung, dass Internetprovider urheberrechtsverletzende Inhalte stärker als bisher verhindern müssen. Das trägt jedenfalls dazu bei, dass das Urheberrecht im digitalen Bereich besser als bisher geschützt wird", so der Medienrechtsprofessor. Poblematisch sieht er eher die Einführung des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger. Dadurch können Presseverlage in Zukunft von Nachrichten-Suchmaschinen, wie Google News, für Ausschnitte ihrer Nachrichten Geld verlangen. "Es hat bisher in Deutschland nicht funktioniert und wird auch auf europäischer Ebene kaum zu Mehreinnahmen der Presseunternehmen führen", merkt Prof. Dr. Peifer an.

Die Befürchtung des Overblockings sieht auch er. Dafür würde die Richtlinie jedoch Beschwerdemechanismen vorsehen, die dies korrigieren würden. "Wichtig erscheint mir, darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie Uploadfilter weder nennt, noch vorschreibt oder gar als einzigen Weg der Inhaltskontrolle vorsieht." Wie die Urheberrechtsverletzungen beim Upload also verhindert werden, bleibt den Plattformbetreibern überlassen. Als Lösung des Problems sieht Karl-Nikolaus Peifer eine breite und länderübergreifende Lizenzierung von Inhalten durch Verwertungsgesellschaften, die Einführung bestimmter Rubriken für Kritik, Satire und Memes auf den betroffenen Portalen oder die Durchsetzung der eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet gegenüber bekannten Verletzern.

"Eine technische Umsetzung von Uploadfiltern ist noch nicht möglich."

Der Verein Digitale Gesellschaft e.V. setzt sich für Grundrechte und Verbraucherschutz im digitalen Raum ein. Vor allem engagieren sie sich gegen den Rückbau von Freiheitsrechten im Internet. Elisabeth Niekrenz ist politische Referentin beim Digitale Gesellschaft e.V. und betont, dass sie eine grundsätzliche Urheberrechtsreform für durchaus notwendig sehen, den konkreten Vorschlag des EU-Parlaments aber kategorisch ablehnen. "Da gibt es einige Dinge, die wir kritisieren. Zum einen ist es die Einführung eines Presseleistungsschutzrechts, das in Deutschland schon mal gescheitert ist. Dann die Wiedereinführung der Verlegerbeteiligung an den VG-Wort-Einnahmen von Autorinnen und Autoren und der Kernpunkt ist natürlich der Artikel 13, der eine Lizenzierungspflicht für alle Inhalte vorschreibt", so die Referentin. Vor allem eine Einführung von Uploadfiltern ist für sie problematisch. "Wir sehen in ihnen eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit und Kunstfreiheit. Die resultiert vor allem daraus, dass diese Erkennungssoftwaren nicht so gut funktionieren, wie man sich das vorstellt." Also auch der Verein Digitale Gesellschaft e.V. bemängelt, dass Uploadfilter nicht zwischen Parodien, Bildzitaten, Remixen oder ähnlichen Unterscheiden kann und so rechtmäßige Inhalte geblockt werden könnten. "Es ist sogar schon vorgekommen, dass Uploadfilter Katzenschnurren als urheberrechtlich geschützte Musik eingestuft haben", erklärt Elisabeth Niekrenz. Außerdem würden die Uploadfilter im Netz ein Exempel dazu statuieren, wie in Zukunft mit problematischen Inhalten im Netz umgegangen werden könnte. "Das größte Problem ist einfach, dass die technische Umsetzung von Uploadfiltern momentan noch nicht möglich ist. Ich stelle es mir auch schwierig vor, dass es jemals möglich sein wird. In vielen Fällen muss einfach eine juristische Wertung vorgenommen werden und das können Uploadfilter nicht leisten."

Als mögliche Alternativen sieht Elisabeth Niekrenz zum Beispiel eine erleichterte Lizenzierung. Durch sie würden Plattformen verpflichtet, eine gewisse Abgabe zu zahlen, die dann durch einen Verteilschlüssel auf die Urheber verteilt wird. Im Gegenzug dürften User ihre Werke auf der Plattform verbreiten. Ein weiterer Vorschlag wäre eine Kulturflatrate, bei dem die Internet-User selbst eine kleine Abgabe über ihre Kosten für den Internetanschluss zahlen, die dann auf die Rechteinhaber aufgeteilt werden.

EU-Urheberrechtsreform: Artikel 13 bleibt umstritten

Wie die EU Urheberrechtsreform mit Artikel 13 sich in unserem Alltag im Internet niederschlägt, kann nicht genau vorausgesagt werden. Fest steht: Die technische Umsetzung von Uploadfiltern, ohne das gleichzeitige Blocken rechtmäßiger Inhalte, ist bislang noch nicht möglich. Sollte die EU-Urheberrechtsreform vom Europäischen Rat bestätigt werden, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Reform umzusetzen.

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