Konsum macht (doch) glücklich!

Ronja Gysin - 19.10.2017

Konsum

Wenn Dinge einen persönlichen Wert entwickeln, macht Konsum Spaß | Foto: Unsplash/Yaroslav Blokhin

Teilen ist Trend

Besitz macht nicht glücklich. Eine These, die so alt zu sein scheint, wie die Menschheit selbst. Schon im Kindergartenalter werden wir dazu angehalten, mit anderen zu teilen. Und tatsächlich belohnt uns unser Gehirn Studien zufolge mit Glückshormonen, wenn wir großzügig handeln, spenden oder unser Eigentum mit anderen teilen. In den letzten Jahren hat sich die einstige Tugend zum regelrechten Trend gemausert. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC nutzt jeder zweite Deutsche Sharing-Plattformen: Geteilt wird fast alles von Autos, über Wohnraum und Werkzeuge bis hin zum eigenen Haustier.

"Es geht heute nicht mehr darum, die Nachbarn zu beeindrucken", weiß Nick Sohnemann, Geschäftsführer der Innovationsagentur Future Candy. Sein zehnköpfiges Team beobachtet Gesellschaftsströmungen und hilft Firmen, marktfähige Ideen zu entwickeln. "Statussymbole haben sich verändert", so der 40-Jährige. In Minimalisten-Kreisen sei es gar angesehen, möglichst wenig zu besitzen. Diesen Menschen reicht es aus, Dinge nutzen zu können, ohne sie zu besitzen. Weil Besitztümer allein – wie gesagt – eben nicht glücklich machen.

Zwei Voraussetzungen für "glücklichen" Konsum

Diese Regel galt lange auch unter Gesellschaftsforschern und Soziologen. Inzwischen aber haben Wissenschaftler der University of Cambridge und Hirnforscher der University of British Columbia eine Ausnahme hinzugefügt: Werden Dinge häufig und lange genutzt, ist unser Belohnungszentrum aktiv. Glückshormone sorgen dafür, dass wir uns länger und vor allem immer wieder an dem Gegenstand erfreuen. Dazu sind zwei Voraussetzungen notwendig.

Erstens: Wir kaufen ein langlebiges Gut, das uns wirklich etwas bedeutet. Zweitens: Wir erleben etwas damit. Wer sich das langersehnte Wettkampfrad kauft und damit auf den nächsten Triathlon trainiert, wird mehr Glück empfinden, als jemand, der sich für einen kurzen Ausflug in die Stadt ein Fahrrad ausleiht.

Ein Phänomen das Backpackerin Luisa Erler bestätigt. Mit ihrem Rucksack ist die 27-Jährige bereits durch Länder wie Vietnam, Myanmar und Thailand gereist. Zwei Monate voller Abenteuer – durch drückende Hitze, über Trampelpfade und vorbei an quirligen Städten. "Der Rucksack war dabei gleichzeitig mein bester Freund und schlimmster Feind", schmunzelt die Münchnerin. Für ihre Reise einen Rucksack zu leihen, kam für die Filmstudentin nicht in Frage. Es musste ihr eigener Backpack sein, an dem sie jeden Gurt und jede Seitentasche auswendig kennt. "Nehm ich den Rucksack heute in die Hand, fällt mir sofort ein, wie wir nach stundenlangem Suchen endlich ein freies Hostelbett gefunden haben oder wie ich im Bus durch jedes Schlagloch geschüttelt wurde", schwärmt Erler. Hätte sie den Rucksack im Anschluss an ihre Erlebnisse abgeben müssen, würden ihr die kleinen Glücks- und Erinnerungsmomente entsagt bleiben.

Sharing versagt in Sachen Glücksmomente

Unternehmer Rainer Brang nutzt diese Basis für seine Geschäftsidee. Der Softwareentwickler hat mit dem "Hörbert" einen Musikspieler für Kinder entwickelt, der wertig aus Holz statt aus Plastik hergestellt ist und lange lebt.

Er bestärkt die Glücksforscher: "Uns schreiben Eltern, dass Kinder den Player überall mit hinnehmen", verdeutlicht der Erfinder des tragbaren MP3-Spielers. So komme der Klangkiste Bedeutung zu. Sie steht mit Erlebtem in Verbindung. "Oft ist der Hörspieler das erste Gerät, das die Kleinen unabhängig von den Eltern benutzen dürfen – immer wieder", weiß Brang. Steht dann noch der Name des Besitzers eingraviert, ist die Chance groß, dass der Kindheitsfreund den Sprung zum geliebten Kultobjekt schafft.

Viel häufiger aber kaufen wir Produkte, die wir nur selten bis gar nicht benutzen. Erlebnisfaktor gleich null. Der Hormonsturm bleibt aus. Ähnlich läuft es beim Ausleihen. Denn Sharing versagt in Sachen Glücksmomente.

Der Meinung ist zumindest Konsumforscher Wolfgang Ullrich. Das Miteinander-Teilen sei zwar ökonomisch und wirtschaftlich sinnvoll, allerdings können geliehene Dinge ihren Emotionswert nicht entfalten. Vereinzelt führt das Leihen sogar in die Sucht. Wir brauchen plötzlich mehr von dem, das wir uns eigentlich nicht leisten können, durchs Sharing aber zugänglich wird. Zumindest aber führt es zu einer permanenten Beschleunigung. Die Angst, etwas zu verpassen, steigt.

Zusammengefasst bedeutet das: Sharing ist gut, solange wir Gegenständen ohnehin keinen großen Wert zuordnen. Steht der reine Nutzen von Bohrmaschine, Auto und Küchenhelfer im Vordergrund, ist es sinnvoll – ja sogar löblich – Sharing-Angebote zu nutzen. Anders sieht es mit Herzensgegenständen aus. Wer sich ein bestimmtes Objekt schon lange wünscht, kann es mehr genießen, wenn er es sich tatsächlich anschafft. Und was, wenn wir uns unsicher sind? Dann hilft eine Mischform. Erst leihen, ausprobieren und in uns gehen. So können wir so manchen Gegenstand von einem emotionslosen Dasein im Regal der Nicht-Benutzten bewahren.

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