Schummeln mit der Smartwatch

Denise Haberger - 04.03.2016

Mit der Smartwatch schummeln

Der Blick auf die Smartwatch – in Prüfungen nicht erlaubt! | Foto: Thinkstock/DragonImages

Wem die Stunde schlägt

Spätestens als Apple im Frühjahr 2015 die Apple Watch auf den Markt brachte, wurden Smartwatches massentauglich. Der Branchenverband BITKOM schätzte, dass im vergangenen Jahr in Deutschland rund 645.000 Exemplare verkauft wurden. Noch keine riesige Zahl, aber das Interesse an den klugen Armbanduhren steigt. Und damit auch die Zahl derer, die Smartwatches in Prüfungen als mobilen Spickzettel nutzen könnten (Wie gut das klappt, erfahrt ihr später im Artikel). 

Doch wie stellen sich Unis darauf ein? Bereits 2013 verboten belgische Hochschulen, allen voran die Arteveldehogeschool in Gent, das Tragen von Smartwatches in Klausuren. Kurz vor dem Verkaufsstart der Apple Watch reagierten laut US-Portal Buzzfeed auch britische Unis, wie zum Beispiel die City University in London: Sie verbot direkt sämtliche Armbanduhren in Prüfungen.

In Deutschland ist man bisher noch nicht so rigoros. Vielleicht auch, weil bislang kaum Fälle spickender Smartwatch-Besitzer bekannt sind. "Konkrete Täuschungsversuche sind mir bisher nicht zur Kenntnis gekommen. Befürchtet werden sie aber schon, seit diese 'Verlängerungen' der Mobiltelefone weite Verbreitung gefunden haben", erklärt Professor Oliver Baumann, Prüfungsausschussvorsitzender des hochschulübergreifenden Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der HAW Hamburg, der Universität Hamburg sowie der TU Hamburg Harburg. 

Besitz von unerlaubten Hilfsmittel = Täuschungsversuch

An vielen Hochschulen werden Smartwatches in den Prüfungsordnungen nicht explizit aufgeführt. Allerdings fallen sie meist in die Kategorie "unerlaubte Hilfsmittel", die Studierenden in der Regel vor der Prüfung bekannt gegeben werden. An der Uni Bamberg etwa "dürfen Smartwatches aufgrund der digitalen Möglichkeiten, insbesondere weil sie internetfähig sind, nicht verwendet werden", so eine Uni-Sprecherin.

Ähnlich an der Hochschule Rhein-Waal: "Verboten sind nicht explizit erlaubte elektronische Hilfsmittel ganz allgemein. Dazu gehören Smartwatches, demnächst vielleicht Fitnessarmbänder, VR-Brillen, In-Ear-Kopfhörer etc. Es wird immer etwas Neues geben", so Professor Ulrich Greveler, Prüfungsausschussvorsitzender. Die Hochschule Fulda und die Uni Passau gehen einen Schritt weiter: Dort wird allein schon der Besitz von unerlaubten Hilfsmitteln, insbesondere von mobilen Geräten, als Täuschungsversuch gewertet.

Es gibt aber nicht immer eine hochschulweite Regelung, sodass jedes Fach, beziehungsweise jede Fakultät selbst bestimmt, was erlaubt ist und was nicht. Während zum Beispiel an der LMU München bei den Juristen und Informatikern die Smartwatch generell verboten ist, gibt es eine solche Vorgabe bei den Germanisten nicht.

Teilweise sind sogar Armbanduhren verboten

Ganz unproblematisch ist die Umsetzung von Verboten natürlich nicht. "Für die jeweilige Prüfungsaufsicht dürfte es nicht immer einfach sein, die Smartwatch, die als Uhr mit Digitalanzeige daherkommt, als Smartwatch zu identifizieren – gerade bei Prüfungen, an denen mehrere Hundert Studenten teilnehmen", erklärt Matthias Jaroch vom Deutschen Hochschulverband, der Berufsvertretung der Universitätslehrer.

Auch Dr. Christiane Borchard, Leiterin Servicecenter Lehre an der Uni Kassel, weiß, dass die Kontrolle schwieriger wird: "Es ist dahingehend ein Problem, dass es kaum möglich ist zu überprüfen, ob jemand nur die Uhrzeit abliest oder surft."

Damit dieses Problem verschwindet, bleibt am Ende vielleicht doch nur noch das Verbot aller Armbanduhren, wie es schon in München geschieht: "Bei Prüfungen in BWL und VWL sind seit April 2015 sogar alle Arten von Uhren verboten, weshalb spezielle Standuhren angeschafft wurden, die im Prüfungsraum verteilt jedem Prüfling einen guten Blick darauf ermöglichen", sagt Clemens Grosse aus der Pressestelle der LMU München.

Schummeln international

In technikaffinen Ländern wie Japan und Südkorea sind Schüler und Studenten kreativer in Sachen digitales Schummeln. Es wurden bereits Knöpfe mit Sendern, Brillen und Strohhalme mit Kameras, als Radiergummi getarnte Empfänger oder Ohrstöpsel mit Sendern gefunden. Aber auch die Bildungseinrichtungen reagieren mit Hightech: In China, wo Schummeln kein Kavaliersdelikt ist, schirmen Hochschulen ihr Gelände in der Prüfungszeit gegen Mobilfunksignale ab, durchleuchten die Taschen der Prüflinge oder setzen sogar Drohnen sein, die Funksignale aufspüren können. So etwas Ähnliches passiert übrigens auch schon an der Hochschule Fulda: Dort kontrolliert ein Fachbereich mittels Sensoren, ob elektronische Kommunikation im Raum stattfindet.

Das Schummelverhalten unvorbereiteter Studenten

Soziologe Sebastian Sattler (damals noch an der Uni Bielefeld) hat 2012 in seiner Fairuse-Studie herausgefunden: Die Mehrheit der Befragten habe sich im Laufe eines Semesters mindestens einmal unerlaubter Mittel bedient, also abgeschrieben, gespickt, Daten gefälscht oder verändert, plagiiert oder ein unbegründetes Attest abgegeben. Ein Verbot der Smartwatches hält er "mit Blick auf die Gewährleistung von Fairness zwischen den Prüflingen" für sinnvoll. Allerdings sollten auch "andere Maßnahmen gegen Schummeln im Studium entwickelt werden. Sei es beispielsweise durch ausreichend Betreuung, vernünftige Studienbedingungen oder Prüfungsformen, die nicht rein auf die Wiedergabe von Wissen abzielen, sondern entsprechende Anwendungen von Wissen."

Die technische Seite: Wo ist das Smartphone?

Smartphones sind bei Prüfungen flächendeckend verboten. Die Frage ist: Muss man sie an der Garderobe abgeben oder darf man sie eingeschaltet, aber unbenutzt in einer Tasche bei sich behalten? Darf das Smartphone in der Nähe bleiben, lässt sich eine relativ kleine Smartwatch darankoppeln. Bis circa zehn Meter reicht die Bluetooth-Verbindung, sie wird jedoch mit steigender Entfernung langsamer und unzuverlässiger. Muss die Uhr ohne Smartphone alles alleine erledigen, braucht man eine Uhr mit eigenem Speicher – die ist damit größer und fällt eher auf.

Wie zum Beispiel die Schummel-Uhr von 24Kupi.com. Die kroatische Firma verschickt spezielle Spicker-Uhren weltweit ab 50 Euro. Skripte lassen sich im reinen Textformat ohne Abbildungen speichern. Wer beim Lesen dauernd an der Uhr fummelt, um weiterzublättern, macht sich verdächtig – daher lässt die Kupi Watch den Text automatisch laufen, wie den Abspann im Kino. Kommt der Dozent zu nah, verschwindet der Spickzettel auf Knopfdruck, stattdessen erscheint ein Zifferblatt.

Version 2 der Schummel-Uhr kommt mit Android, eigenem Mobilfunkzugang und Kamera. Es gibt sogar eine Version mit unsichtbarem Display! Der Trick: polarisiertes Licht, erst ein eingebauter Filter macht die Anzeige sichtbar. Den lässt der Hersteller einfach weg und liefert ihn stattdessen als Brille mit. Ohne diese Brille ist auf der Anzeige nichts zu sehen. Für Android gibt es so genannte Vault-Apps, in denen man Geheimnisse speichern kann. Die sind aber eher Spielzeug, verschlüsseln nicht ordentlich und lassen sich im Ernstfall zu leicht knacken.

Die Meisterklasse der Smartwatches

Die Nummer mit dem Live-Support ist brandgefährlich. Wer einfach nur abliest, kann sich noch relativ unauffällig verhalten. Wer aber Prüfungsfragen fotografiert, muss zwangsläufig immer wieder mit der Smartwatch hantieren. Bei dem hohen Risiko muss zumindest die Kamera richtig positioniert sein, nämlich Richtung Handkante. Die Linse sitzt zwar bei der Samsung Galaxy Gear optimal, aber dieses Modell funktioniert nur zusammen mit einem Smartphone. Smartwatches mit gut ausgerichteter Kamera und eigenem Internet dagegen gibt es von kleineren Anbietern (zum Beispiel Buyee DZ09).

Und wenn man erwischt wird?

Wer bei Täuschungsversuchen erwischt wird, hat schlechte Karten. Optimal wäre also eine App, die neben der Schummelfunktion auch harmlos genutzt werden kann. Und die im schlimmsten Notfall alle Spuren des Spickens verschwinden lässt.

Technisch wäre das möglich: Verschlüsselte Daten können so gespeichert werden, dass sie ohne Passwort aussehen wie wertloser Datenmüll. Sogar der Programmcode des Spick-Moduls könnte so getarnt werden. "Plausible Deniability" nennen das die Kryptologen. Die PC-Software "Veracrypt" beherrscht diese Technik. Für Android gibt es "Mobiflage", aber das ist leider keine fertige App, sondern ein hoch kompliziertes Hacker-Projekt.

Juristisch ist die Sache eh klar: Schummeln verboten! Technisch gesehen scheint Schummelstufe eins mit dem Skript auf der Uhr noch machbar. Der Live-Support per Kamera und Internet ist aber zu kompliziert, birgt zu viele Fehlerquellen und ist damit zu riskant. Bleiben lassen! Und die perfekte Schummel-App gibt es anscheinend noch nicht: Marktlücke!

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