Das Betreuungsverhältnis im Ländervergleich
Je nach Quelle unterscheiden sich die genauen Zahlen, doch Schlusslicht ist immer Nordrhein-Westfalen. Laut Statistischem Bundesamt kamen 2013 dort 82,6 Studierende auf einen Professor, fast 20 mehr als noch 2005. Auf den Plätzen 15 (Hessen) und 14 (Rheinland-Pfalz) sieht die Quote mit 70,4 bzw. 64,3 zu 1 schon besser aus.
Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Thüringen sind es 49,3 Studis je Prof. Woran es liegt, dass NRW so schlecht abschneidet? Prof. Dr. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, sieht nur eine Erklärung: "Die Anstiege bei den Studierendenzahlen sind so gewaltig, dass wir mit den Mitteln des Hochschulpaktes für die doppelten Abitur-Jahrgänge vermehrt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt haben – zusätzliche Professuren konnten wir jedoch nicht schaffen."
Info: Hochschulpakt kurz & kompakt
Der Hochschulpakt ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Bewältigung des Studienanstiegs aufgrund der doppelten Abi-Jahrgänge. Er wird häufig neben der "Exzellenzinitiative" und dem "Pakt für Forschung und Innovation" als einer der "drei Pakte" zur Förderung von Wissenschaft und Hochschulbildung genannt.
Wissenschaftliches Personal? Ebenfalls Mangelware
Beim Verhältnis Studierende je wissenschaftlichem Mitarbeiter steht NRW auch nicht besser da, wobei es insgesamt recht stabil geblieben ist. 2005 lag der Bundesdurchschnitt bei 15,6 zu 1, acht Jahre später – trotz gestiegener Studi-Zahlen – bei 16,3 zu 1. NRW kommt auf 20,4 zu 1.
Die Begründung: Hochschulen setzen auf "Dazwischen-Lösungen", wie Dr. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) erklärt: "Der Hochschulpakt ist ja temporär, d.h., man weiß immer nur für wenige Jahre, wie viel Geld da ist, und hangelt sich von Jahr zu Jahr. Da baut man keine langfristigen Kapazitäten auf, sondern beschäftigt statt Professoren lieber wissenschaftliches Personal, das man problemlos nach drei Jahren, wenn die Verträge auslaufen, los wird."
Das Problem im Fächer-Vergleich
Etwa 21 Prozent der Studierenden schmeißen ihr Studium, besonders viele in den MINT-Fächern. Das liegt auch am ungünstigen Betreuungsverhältnis, ist Prof. Dr. Gather, selbst Mathematikerin, überzeugt: "Viele Studierende scheitern an den mathematischen Voraussetzungen. Deswegen müssen wir zusätzliche Unterstützung geben. Das geht nicht mit 300 Leuten im Frontal-Unterricht, sondern nur in kleinen Gruppen."
Da MINT-Studiengänge aber relativ teuer sind, können kaum zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden und sie schneiden im Fächervergleich vom FiBS besonders schlecht ab. In den Ingenieurwissenschaften sieht Dr. Dieter Dohmen gar "dramatische Zustände" mit einem Schnitt von 90 zu 1 an Unis und 44 zu 1 an FHs. Während es bei den meisten Fächern schlechter aussieht, zeigen sich Verbesserungen in den Sprach- und Kulturwissenschaften, wobei die Verhältnisse dort auch im Vorhinein besonders ungünstig sind.
Mehr Geld, mehr Profs
Es klingt so einfach: Zusätzliches Geld muss her. Doch woher soll es kommen? Prof. Dr. Gather und Dr. Dohmen sind sich einig, dass Studiengebühren eine Rolle spielen sollten, aber bei weitem kein Allheilmittel sind. Die gesamten Investitionen im Bildungsbereich, die Qualifizierung von Flüchtlingen eingeschlossen, erfordern laut FiBS-Chef Dohmen 50 Mrd. Euro pro Jahr. Eine Summe, die seiner Meinung nach durch Fonds, die private Mittel von Personen oder Unternehmen – sowohl mit einem Investitions- als auch CSR-Gedanken dahinter – aufgebracht werden könnte.
Doch bei all den Zahlenspielen darf eine Sache nicht vergessen werden, die der Geschäftsführer des CHE-Centrums für Hochschulentwicklung, Prof. Dr. Frank Ziegele, auf den Punkt bringt: "Die Zahl, wie viele Studierende ein Professor betreut, ist das eine. Doch auch das 'Wie' ist entscheidend. Hier ist zum einen die Haltung zur Lehre wichtig: Sehen Professoren die Lehre als gleichrangige Aufgabe zur Forschung oder eher als lästige Pflichtaufgabe?"