Umgangsformen: Den Prof duzen oder siezen?

"Du, Herr Professor …"– So lässt sich nicht jeder Prof ansprechen! | Foto: Thinkstock/Estudi M6
"Hallo, ich bin der Friedemann"
Bart, längere Haare, lässige Klamotten: Friedemann Vogel, 33, Juniorprofessor am Institut für Medienkulturwissenschaft der Uni Freiburg, ist ein lockerer Typ. Auch im Umgang mit seinen Studierenden. "Hallo, ich bin der Friedemann", sagt er, wenn er sich vorstellt – die Studierenden dürfen ihn gerne duzen. Denn: Das Durchbrechen eingeschliffener Traditionen schaffe neue Handlungsfreiräume.
Doch ist es grundsätzlich in Ordnung, seinen Prof zu duzen? Und was für Umgangsformen solltest du an der Uni generell beachten? Wir verraten es dir.
Inhaltsverzeichnis
Umgangsformen: Sizen und duzen
In Deutschland spielen Umgangsformen, insbesondere das Duzen und Siezen, eine wichtige Rolle im sozialen und beruflichen Miteinander. Siezen ist die formelle Anrede, die Redpekt, Distanz und Höflichkeit ausdrückt. Duzen ist die informelle Anrede mit „du“, oft verbunden mit dem Vornamen. Es signalisiert Nähe, Vertrautheit oder Gleichrangigkeit. Folglich wird dann gesziezt, wenn man sich nicht kennt, ein Alters- oder Hierarchieunterschied besteht oder im beruflichen Umfeld, besonders bei förmlichen Unternehmen oder im ersten Kontakt. Unter Freunden und Freundinnen, oder wenn es expliziz angboten wird, verwenden wir das Du.
Gerade unter jüngeren Leuten und auch durch den Einfluss des Englischen, das nicht zwischen "Sie" und "Du" unterscheidet, wird bei uns aber auch das Du immer geläufiger und nicht wenige fühlen sich wohler, wenn einfach direkt geduzt wird. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass du deinen Prof einfach duzen solltest.
Respektverlust durch das Du?
"Die Studierenden reflektieren die klassische Hierarchieebene, registrieren, dass diese nicht gottgegeben ist, sondern diskutierbar", begründet Friedemann Vogel, warum er sich duzen lässt. "So brechen sie eher aus einem Korsett aus, das sie sich schon in der Schulzeit im Umgang mit ihren Lehrkräften angelegt haben und das Erkenntnisprozesse mehr behindert, als befördert." Studierende, mit denen er auf Du und Du ist, trauten sich eher, "meine Noten kritisch zu hinterfragen und auch Belege für meine Entscheidungen einzufordern". Für Vogel völlig in Ordnung. "Respekt muss man sich erarbeiten, auch als Prof." Dass ihm Respekt durch das Duzen flöten gehe könne, glaubt er nicht, denn er achte auf einen Umgang, der trotzdem sachlich bleibt und nicht ins Kumpelhafte abgleitet.
Damit gehört Vogel allerdings zu einer Minderheit. Grundsätzlich gilt an Unis: Es wird gesiezt. Bei Vogels Studierenden kommt der andere Umgangston aber gut an. Zu seinen Studierendem zählt zum Beispiel Samantha Happ: Die 27-Jährige besucht ein Forschungsseminar von Vogel, genießt darin die Augenhöhe zum Jungprof. Auch wenn es eine gewisse Eingewöhnung brauchte: "Anfangs war es komisch, ich habe versucht, die direkte Anrede zu vermeiden – weil es in Deutschland nicht üblich ist, Autoritätspersonen einfach zu duzen", erzählt sie. "Nach ein, zwei Sitzungen konnte ich mich aber darauf einlassen und habe gemerkt, wie befreiter das Arbeitsklima ist; man hat nicht das Gefühl, einer ständigen Prüfung durch eine Person zu unterliegen, die über einen gestellt ist. Der Prof ist nicht über uns, sondern mit uns – man fühlt sich mehr als Team."
Kein Elfenbeinturm in Litauen
Duzen an der Uni kommt indes auf der ganzen Welt vor. In Schweden, Holland, Dänemark etwa ist es ganz normal. Auch in anderen Ländern sitzen die Professoren nicht im Elfenbeinturm. In Vilnius, der Hauptstadt Litauens, hat die Studentin Julia Bömer im Sommer 2016 ein Auslandssemester gemacht und darüber für den Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD berichtet (Kampagne "studieren weltweit – ERLEBE ES!").
Julia, die eigentlich an der Hochschule Hannover Fernsehjournalismus studiert, fand in Litauen die Nahbarkeit der Profs auffallend: "Da an der Uni Englisch gesprochen wird, ist die Anrede automatisch 'Du'. Prof und Student sprechen sich aber auch mit Vornamen an", erzählt die 26-Jährige.
Höflicher als höflich in Japan
Eine ganz andere Erfahrung berichtet Julia Augsburger. Die 22-Jährige studiert Asienwissenschaften und Japanisch an der Uni Bonn und war zeitweise an der Waseda University in Tokio. Auch sie hat auf studieren-weltweit.de darüber gebloggt. "Je nachdem, auf welcher gesellschaftlichen Ebene die Menschen miteinander kommunizieren, erfolgt die Kommunikation in Japan auf verschiedenen Höflichkeitsstufen", erzählt sie.
Der Kontakt zwischen Studierenden und Profs sei "auf der höchsten Stufe" angesiedelt und deshalb "hochgradig formell", gegenseitiges Duzen käme niemals in Frage. Stattdessen ist auch noch eine Verbeugung zur Begrüßung und Verabschiedung angesagt. "Wenn man mit den Dozenten spricht, wählt man außerdem besonders elegante Wörter in langen, umständlichen Sätzen", so Julia. Man sage zum Beispiel nicht, "könnten Sie bitte mal", sondern überspitzt ausgedrückt "könnten Sie vielleicht gegebenenfalls, sofern es auch nicht zu viele Umstände bereitet …". Sie findet es gut: "Das sichert den emotionalen Abstand zueinander!" Auch ihre Namensvetterin spricht sich eher für das Formelle aus – aber nur, wenn es um die Wurst geht: "Gibt es in Prüfungssituationen Grund zu Kritik, nimmt man das nicht so persönlich, wenn gesiezt wird, sondern versteht besser: Ich als Studentin habe das jetzt nicht so gut gemacht – nicht ich als Mensch."
Fazit: Du oder Sie?
Grundsätzlich gilt: An der Uni wird gesiezt. Profs und Dozierende solltest du auf keinen Fall einfach mit "Du" ansprechen, das kann schnell als unhöflich und im schlimmsten Fall sogar als respektlos empfunden werden und dafür sorgen, dass du einen schlechten Eindruck hinterlässt. Etwas anderes ist es, wenn Dozierende dir das Du anbieten. Das kann gerade in kleinen Seminaren oder bei jüngeren Lehrkräften durchaus vorkommen. Allerdings sollte das Angebot zum Du von den Lehrenden kommen, da diese hierarchisch gesehen über dir stehen. Direkt in der ersten Vorlesung also mal ein "Wollen wir uns nicht alle einfach duzen?" rauszuhauen, ist keine gute Idee.
Übrigens: Falls du nicht möchtest, dass dein Prof oder ein Dozierender dich duzt, ist das dein gutes Recht. Nur weil dir jemand das Du anbietet, musst du es nicht annhemen. Wenn dir eine gewisse Distanz wichtig ist oder du dich dabei unwohl fühlst, darfst du das sehr wohl kommunizieren und darum bitten, doch beim Sie zu bleiben.
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